Die deutsche Schule Apia war die älteste deutsche Schule in der
Südsee. Sie wurde am 2. August 1888 in einem Holzgebäude am Hafen
in Savalalo eröffnet. In der Nähe befanden sich später,
während der Zeit der deutschen Kolonialverwaltung, das Zollgebäude
und die Hafenhandwerksstätten. Vor 1906 waren bis zu fünf Klassen
in insgesamt drei Schulräumen untergebracht. Im Juli 1905 wurde mit
einem steinernen Neubau begonnen, der die Schüler aus dem lebhaften
Hafenviertel in eine ruhigere Stadtrandlage verbringen sollte. Am 1.Mai
1906 wurde das neue Schulgebäude an der Ifi-Ifi-Straße feierlich
in Betrieb genommen. Zwei einstöckige Gebäude im Pavillonsystem
mit je zwei Klassenzimmern waren durch einen zwischen ihnen liegenden Spielplatz
miteinander verbunden. Für die Schüler waren zweisitzige Bänke
bereitgestellt. Mitte November 1913 wurde auch eine Turnhalle errichtet.
Die deutsche Schule war zunächst ein Privatschule, die von einem
Verein deutscher Siedler (Grunow, Höflich, Rosenberg, Gebauer) getragen
wurde und die sowohl aus dem Schulfonds des Auswärtigen Amtes wie
von der Deutschen Kolonialgesellschaft einen jährlichen Zuschuß
erhielt. Nach der Übernahme Samoas durch das Reich und einem befürwortenden
Antrag des Gouverneurs war sie seit Juli 1903 eine Regierungsschule. Sie
hieß dann „Regierungsschule für Europäer", war aber faktisch
eine Schule für Mischlingskinder, vornehmlich deutscher Väter
und samoanischer Mütter. 1902/03 waren nur sieben von 62 Schülern
Europäer; 1910/11 waren es 14 von 141. Neben deutsch-samoanischen
Mischlingskindern gab es Schüler aus britisch-samoanischen, amerikanisch-samoanischen
und skandinavisch-samoanischen Verbindungen. Dem Reisenden Siegfried Genthe
fiel Ende 1899 der Sohn eines amerikanischen Negers und einer Samoanerin,
der „rascher als alle anderen das Deutsche gelernt hat", als besonders
geweckt auf, sowie ein Suahelijunge, den der Präsident des Munizipalrates,
Wilhelm Solf, aus Deutsch-Ostafrika mitgebracht hatte. Für alle diese
Kinder gab es nur eine Schule in Samoa - eben die „deutsche" Schule. Bis
zur Gründung einer eigenen Regierungsschule für Samoaner besuchten
immer auch einige Samoanerkinder die „Regierungsschule für Europäer".
Die deutsche Schule Apia
Anzahl der Schüler
Schuljahr Anfang Ende Durchschnitt Höchststand Jungen Mädchen
Nationalität Konfessionszugehörigkeit
1888 19
1894/95 65
1895/96 40 52 42 59 18 24
1901/02 64 9 S
1902/03 48 62 30 32 36 D, 6 S, 6 GB
1903/04 50 49 65 33 32 43 D, 6 S, 7 GB 58 P,
7 rk
1904/05 63 76 31 32 48 D, 2 S, 7 GB 58 P,
5 rk
1905/06 68 78 80 87 43 37 57 D, 1 S, 14 GB 69 P,
8 rk, 3 u
1906/07 73 93 110 64 46 63 D, 1 S, 26 GB 95 P, 15
rk
1907/08 99 91 126 74 52 58 D, 1 S, 47 GB 100 P, 26 rk
1908/09 97 82 113 66 47 52 D, 39 GB 87 P, 26 rk
1909/10 136 64 72
1910/11 103 141 62 79 57 D
1911/12 111 124 53 71 55 D
1912/13 89 80 102 31 49 45 D
1913/14 97 90 41 49 49 D, 21 GB 71 P, 15 rk,
2A, 2M
D = Deutsch, S = Samoaner, GB = Britisch; A = Adventisten, M = Mormonen,
P = protestantisch, rk = katholisch, u = unbestimmtQuellen: siehe Angaben
im Abschnitt Quellen und Literatur
Die Schule war koedukativ. Das durchschnittliche Alter der Schüler
betrug im Januar 1905 etwas über elf Jahre. Zu diesem Zeitpunkt gab
es drei Siebenjährige und einen 16jährigen. Der Schule war ein
Kindergarten vorgeschaltet, der von der Samoanerin Telesa geleitet wurde.
Hier sprachen die Kinder nur Samoanisch. Deutsch spielte in der „deutschen"
Schule Apia lange Zeit eine nur untergeordnete Rolle. Im Jahr der Gründung
fand der Unterricht „vorläufig" in englischer Sprache statt. Die Kinder
der deutschen Siedler beherrschten ihre „Vatersprache" nur unzulänglich.
Dies galt - zumindest teilweise - selbst für das Lehrpersonal. Neben
dem einzigen deutschen Lehrer, Dr. Otto Sierich, arbeitete eine schwedische
Lehrerin - „hinlänglich des Deutschen mächtig". 1895 wurden „bedenkliche
Mängel" im Deutschen festgestellt, der Vertrag mit Sierich, der im
März 1896 ablief, nicht mehr verlängert. Sierichs Nachfolger
war seit September 1896 ein ordinierter protestantischer Theologe, Otto
Margraf. Er hielt am 1. November 1896 den ersten deutschen protestantischen
Gottesdienst auf Samoa in der deutschen Schule. Aber auch Margraf hielt
sich nicht lange. Seine Predigten entzweiten die kleine deutsche Gemeinde
Apias. Vom deutschen Arzt Schwesinger ließ er sich eine tropenbedingte
Nervosität bescheinigen und kündigte seinen Vertrag vorzeitig.
Am 11. August 1899 kehrte er Samoa den Rücken und reiste nach Deutschland
zurück. Auch Margrafs Nachfolger, der Provinzialvikar Holzhausen,
der erste leitende Lehrer der deutschen Schule Apia, der vom Auswärtigen
Amt angestellt wurde, traf nicht den Ton, den die Deutschen Samoas erwarteten.
Er erschien ihnen zu „orthodox", und als er im liberalen Samoa sich auch
noch den faux pas erlaubte, die Kinder zu mißhandeln, war es endgültig
aus. Holzhausen erhielt ebenfalls ein ärztliches Attest, das ihm eine
vorzeitige Entlassung zum 1. August 1902 ermöglichte. Danach nahm
der Gouverneur die Schulangelegenheiten in die eigenen Hände und es
kehrte Ruhe - so weit man unter den Europäern auf Samoa überhaupt
von Ruhe sprechen kann - ein.
1914 besaß die dreistufige Regierungsvolksschule einen Rektor
(zunächst Otto Damm, Absolvent des Seminars in Mettmann 1893/1895,
1897-1899 Deutschlehrer in Rumänien, seit 1899 an der Deutschen Schule
Apia, 1903 Rektor der Regierungsschule, nach seiner Versetzung nach Deutsch-Südwestafrika
zunächst vom 09.08.1909 - Juni 1912 Mäcke, dann Osbahr), zwei
deutsche Lehrer, Hoerning und Michael, und eine deutsche Lehrerin, Ludovica
Schultze, die als ehemalige Leiterin des Kindergartens von März bis
September 1896 schon einmal die Schule interimistisch geführt hatte.
Ihre Schwester, Valesca Schultze, war die Leiterin der Höheren Mädchenschule
für Pastoren- und Häuptlingstöchter der LMS in Papauta.
1895/1896 wurde das Lehrangebot in Geographie und Geschichte von zwei
auf vier Stunden erhöht. Auch Deutsch wurde mit acht Wochenstunden
stärker unterrichtet. Englisch, damals fünf Wochenstunden, blieb
bis zum Kriegsausbruch eines der wichtigeren Fächer. Zu den übrigen
Schulfächern gehörte Rechnen, Raumlehre, Geschichte (keine griechische,
römische und germanische Geschichte; wohl aber „Landesgeschichte"),
Erdkunde, Naturlehre und Naturgeschichte, Zeichnen, Singen, Turnen und
Handarbeit. Benotet wurden, wie in Deutschland auch, Betragen, „Fleiß
und Aufmerksamkeit", Ordnungsliebe, „Denken und Urteilen". Der Schulbesuch
wurde im Zeugnis festgehalten. In der untersten Stufe wurden 20, in der
mittleren Stufe 26 und in der obersten Stufe 28 Stunden wöchentlich
unterrichtet. Die großen Ferien (Anfang April bis Mitte Mai) wurden
seit
1911 in die heiße Regenzeit (01.02. - 15.03.) verlegt. Daneben gab
es Ferien im (europäischen) Herbst (Mitte September bis Anfang Oktober)
und über Weihnachten (Heiligabend bis nach Dreikönig) und Ostern.
Das aus der Zeit der Privatschule stammende Schulgeld (60 Mark jährlich)
wurde zum 1. April 1909 abgeschafft. Es bestand allerdings in der Europäerschule
keine Lernmittelfreiheit. Immerhin betrugen die Schulkosten für die
Regierung knapp 392 Mark pro Schüler und Jahr (1912). Den geplanten
Ausbau der Volksschule zu einer Mittelschule, den Gouverneur Schultz
Ausgaben der deutschen Kolonialregierung in Samoa für das Schulwesen
(in Mark)
1910 1911 1912 1914
Regierungsschule für Europäer 31.023,25 38.026,20 40.586,29
51.565
Regierungsschule für Samoaner 17.088,75 15.318,70 16.250,48 19.020
Regierungszuschuß für Missionsschulen 1.500 1.600 1.800
1.800
Ende September 1913 beim Reichskolonialamt mit der Anforderung eines
zusätzlichen Lehrers mit Rektorexamen in Französisch und Englisch
gefordert hatte, verhinderte der Krieg.
Als die Nachricht von der Landung der neuseeländischen Soldaten
durchdrang, stimmte die langjährige Lehrerin Ludovica Schultze den
Choral „Ach, bleib’ mit Deinem Schutze bei uns, Du starker Held" an und
entließ die Schüler in die Ferien. Von den Neuseeländern
wurde das Schulgebäude als Kaserne benutzt. Der Schulunterricht wurde
deshalb nach dem Ende der Ferien von den Lehrern Pfeil, Michael, Horning
und Schultze in ihren Privatwohnungen erteilt. Walter Michael und Franz
Pfeil wurden kurz nach Wiederaufnahme des Schulunterrichtes nach Neuseeland
deportiert, Pfeil zudem am 7. November 1914 zu einer dreijährigen
Gefängnisstrafe verurteilt. Bis zuletzt, d.h. November 1915, unterrichteten
noch Horning und Schultze.
1908 wurde in Malifa eine Regierungsschule für Samoaner errichtet.
Das aus Zement erbaute Schulhaus mit Internat wurde aus besonderen Beiträgen
der Samoaner finanziert. Von 140 Kan-
Ein Volk, das solche Opfer für die Erziehung seiner Kinder bringt,
dessen gesamte Jugend lesen, schreiben und rechnen lernt, ein Volk, das
ohne obrigkeitliche Anordnung freiwillig den Schulzwang eingeführt
hat und 25 % der gesamten Bevölkerungsziffer Schulbesucher aufweist,
ein solches Volk berechtigt zu den schönsten Hoffnungen und darf nicht
als quantité négligeable auf den Aussterbe-Etat gesetzt werden.
Hier ist der Punkt, wo die deutsche Regierung den Missionen Samoas und
in erster Linie der Londoner-Mission zu danken hat.
Gouverneur Wilhelm Solf über „Das Schulwesen" Samoas in seinem
Decennial-Programm von 1909
NML: XV.2
didaten, die eine Aufnahmeprüfung ablegten, wurden bei Eröffnung
der Schule am 01. Mai 1909 60 angenommen. Diese Schülerzahl - die
Schule war eine reine Jungenschule - wurde auch in den folgenden Jahren
konstant gehalten. Das Alter der Schüler war relativ hoch. Auf die
Wünsche der traditionellen samoanischen Oligaschu wurde besondere
Rücksicht genommen (das war mit ein Grund, warum keine Mädchen
aufgenommen wurden). Neben den Söhnen der Oberhäuptlinge Tamasese
und Malietoa Tanumafili saßen Familienväter von über 40
Jahren. Zwölfjährige waren eher die Ausnahme. Im August 1912
waren von 60 Schülern alle über 17 Jahre alt. Die Schüler
waren fast ausschließlich protestantisch. Mit der katholischen Kirche
- um ihre eigene Ausbildung besorgt - hatte das Gouvernement erhebliche
Schwierigkeiten. Bischof Broyer drohte den Samoanern, die ihre Söhne
auf die Regierungsschule schicken wollten, mit Verweigerung der Absolution.
Unterrichtet wurden drei Klassen in fünf Stufen insgesamt 23 Wochenstunden
lang. Deutsch (neun Stunden), Samoanisch, Rechnen und Raumlehre, Naturgeschichte,
Geographie, samoani-
Es soll dafür Sorge getragen werden, daß die Kinder der deutschen
Schule auf Wunsch ihrer Eltern Uebung im Sprechen der guten samoanischen
Sprache erhalten können. Deshalb gestatte ich, daß Schüler
der deutschen Regierungsschule an dem Unterricht in der samoanischen Regierungsschule
teilnehmen dürfen.
Notiz Solf, 15.11.1909
NML: XV.3
sche Geschichte, Verwaltungslehre, Gesang und Sport, den die Samoaner
mit Hilfe eines ehemaligen samoanischen Unteroffiziers der Polizeitruppe
in „Militärunterricht" umwandelten. Dagegen dominierte auf der „deutschen
Schule" für Europäer- und Mischlingskinder im Turnunterricht
das volkstümliche Spiel. Im Prinzip war ansonsten der Unterricht ähnlich
wie der einer deutschen Volksschule, aber mit einer starken samoanischen
Note. Deutsch war und blieb nur eine Fremdsprache. Zum Schulvorstand gehörten
neben dem Gründer und Leiter der Schule, dem Lübecker Wilhelm
Osbahr (seit 09.09.1903 in Samoa), auch zwei samoanische matai, Faletoese
und Asiata Niko. Seit dem 1. Februar 1914 lag die Leitung der Schule in
den Händen von Regierungslehrer Franz Pfeil (12.02.1911 an Samoa).
Die Ernährung für die Schüler wurde zunächst von
samoanischen Dorfschaften abwechselnd geliefert, ab dem Schuljahr 1911/12
versorgten die Schulpflanzungen, in denen die Schüler an drei Tagen
in der Woche arbeiten mußten, die Schule mit genügend Nahrungsmitteln.
Der Schulbesuch an sich war kostenfrei.
Der Schule war von Anfang an eine Handwerkerschule angegliedert, in
der ein deutscher Handwerkmeister und ein Pflanzungssachverständiger
die Schüler praktisch unterrichteten. Seit 1910 wurden auch hier regelmäßig
zwei Schüler zu einer einjährigen Ausbildung auf die Werft nach
Tsingtau geschickt. Die ersten Samoaner wurden dort zu Schlossern und Tischlern
ausgebildet.
1914 konnte der erste Schuljahrgang entlassen werden. Die Absolventen
traten als Hilfsschreiber, Polizisten, Heilgehilfen, Postgehilfen, Telefonvermittler
und Handwerker in den Dienst des Gouvernements. Im neuen Schuljahr wurden
wiederum 60 samoanische Jungen im Alter von 14 bis 16 Jahren in das Internat
aufgenommen. Da das begrenzte Schulangebot seit Jahren die Nachfrage nicht
mehr decken konnte, begann man im Januar 1914 mit der Errichtung eines
Erweiterungsbaues aus Beton. Auch gab es jetzt eine einklassige Tagesschule
für samoanische Kinder, Jungen und Mädchen im Alter von sechs
bis 14 Jahren. Die dafür benötigten Gelder wurden von der samoanischen
Bevölkerung aus Apia und Umgebung aufgebracht. Der Einmarsch der Neuseeländer
beendete die Regierungsschule für Samoaner noch abrupter als die Europäerschule,
da die Militärverwaltung jeden Versuch eines privaten Unterrichtes
für Samoaner durch ehemalige Regierungslehrer von Anfang an rigoros
untersagte.